Der Holocaust by Benz Wolfgang

Der Holocaust by Benz Wolfgang

Autor:Benz, Wolfgang
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406666889
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-11-27T00:00:00+00:00


IX. Deportation der Juden aus Deutschland

Im Herbst 1941 begann mit der systematischen, bürokratisch geregelten und bis ins Detail programmierten Deportation der Juden aus Deutschland die letzte Phase nationalsozialistischer Judenpolitik. Sie war nunmehr zielstrebig und ausschließlich darauf gerichtet, die europäische Judenheit auszurotten.

Die Vorbereitungen waren mit Gründlichkeit erfolgt und Mitte Oktober 1941 abgeschlossen. Überall erhielten Juden jetzt vervielfältigte Aufforderungen, sich zur „Evakuierung“ an Sammelplätzen einzufinden, sie hatten Verhaltensmaßregeln empfangen, was sie „zur Ansiedlung im Osten“ mitbringen sollten, in welchem Zustand sie ihre Wohnungen zurücklassen mußten (Licht-, Gas-, Wasserrechnungen waren vor der Abreise zu bezahlen), es war ihnen eröffnet worden – unter gleichzeitiger Erteilung einer „Evakuierungsnummer“ –, daß ihr gesamtes Vermögen rückwirkend zum 15. Oktober 1941 staatspolizeilich beschlagnahmt war und daß „die seit dieser Zeit getroffenen Verfügungen über Vermögensteile (Schenkungen oder Verkäufe) wirkungslos“ seien. Außerdem wurde die Anfertigung einer Vermögenserklärung befohlen, die auch die in der Zwischenzeit verkauften oder verschenkten Gegenstände nebst Namen und Adressen der neuen Besitzer enthalten mußte. Der Vermögensaufstellung beizufügen waren sämtliche relevanten Urkunden wie Schuldscheine, Wertpapiere, Versicherungspolicen, Kaufverträge usw.

Der solchermaßen angekündigte Raub jüdischen Vermögens, bei dem die Beraubten zu bürokratischen Handlangerdiensten gezwungen wurden, war formal legalisiert durch die 11. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“, einem der „Nürnberger Gesetze“ von 1935. Mit den Durchführungsverordnungen waren die Rechte der Juden Zug um Zug beschnitten worden, um schließlich alle, die nicht rechtzeitig hatten auswandern können, in Ghettos und Todeslager zu treiben. Die 11. Verordnung, die am 25. November 1941 in Kraft trat, bestimmte, daß und unter welchen Umständen Juden die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, und definierte die Einzelheiten; dieser Verlust erfolgte automatisch mit „der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland“. Der Zweck der Bestimmung war eindeutig, wenn es in § 3 hieß: „Das Vermögen des Juden … verfällt mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit dem Reich.“ Damit jede Möglichkeit, diese Bestimmung zu umgehen, ausgeschlossen war, hatte das für die Angelegenheiten der Juden zuständige Referat des Reichssicherheitshauptamts – die Gestapozentrale in Berlin also – eine Verfügungsbeschränkung über das bewegliche jüdische Vermögen erlassen. Auch diese Anordnung, datiert vom 27. November 1941, galt rückwirkend ab 15. Oktober 1941. Ihre Absicht war, Vermögensverschiebungen vor der Deportation der Juden zu verhindern.

Waren die juristischen Konstruktionen des rückwirkenden Verlusts von Staatsangehörigkeit und Vermögen schon dubios genug, so kam noch hinzu, daß die Verlegung „des gewöhnlichen Aufenthalts“ ins Ausland ja keineswegs mehr im Belieben der Juden stand. Die Auswanderung, die noch 1938/39 von den NS-Behörden forciert worden war, wurde im Herbst 1941 förmlich verboten; die Evakuierung war, auch wenn die Betroffenen noch nicht wußten, was mit ihnen geschehen würde, keineswegs von ihnen erstrebt. Um die letzte Lücke in dem Netz zu schließen, das dazu diente, die deutschen Juden zu fangen, um schließlich ihre Existenz zu vernichten, definierte das Reichsministerium des Innern Anfang Dezember 1941 in einer geheimen Anordnung zur Durchführung der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz den Begriff „Ausland“ für den Deportationsfall: „Der Verlust der Staatsangehörigkeit und der Vermögensverfall trifft auch diejenigen … Juden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den von den deutschen Truppen besetzten oder in deutsche Verwaltung genommenen Gebieten haben oder in Zukunft



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